Die Gebäude der Trossinger Eisenbahn

Nicht nur die Entstehungsgeschichte und die Fahrzeuge der Trossinger Eisenbahn sind faszinierend. Mit dem Bau der Bahn entstanden am damaligen Ortsrand des kleinen Pfarrdorfes ein stattliches Bahnhofsgebäude sowie ein Elektrizitätswerk mit Wagenhalle und Wohnhaus für die Bediensteten. Die Gebäude sind bis heute erhalten geblieben, haben aber in den letzten 100 Jahren ihr Aussehen immer wieder verändert.

1898
Oberamtsbaumeister Lusser entwirft für die elektrisch betriebene Privateisenbahn „Elektrizitätswerk und Verbindungsbahn Trossingen AG“ ein wunderschönes Bahnhofsgebäude. Das mit reichhaltigem Zierfachwerk ausgestaltete Gebäude wird im Baustil jener Zeit mit Walmen, Giebeln, Türmchen und Spitzen erbaut. Die Bahn richtet ihre gesamte Fahrdienstleitung mit Fernsprecheinrichtung, den Verkauf von Fahrkarten und Frachtbriefen sowie Wohnungen für die Bediensteten in dem schmucken Gebäude ein. Auch das Postamt findet Platz in dem großzügig dimensionierten Bahnhofsgebäude.

1898, Straßenseite
1902, Gleisseite

1924
Bereits 1924 ist es mit dem schönen Anblick des Fachwerkgebäudes vorbei. Dunkle Schindeln verdecken ab dem ersten Stockwerk teilweise das Sichtfachwerk. Weshalb diese Veränderung an dem Gebäude durchgeführt wird, ist bis heute unklar.

1948/1951
Nach umfangreichen Umbaumaßnahmen an und im Gebäude verdecken „Heraklith-Platten“ und Putz einen Großteil der Schindeln, ein Satteldach ersetzt das Walmdach. Die eindrucksvolle Turmspitze über dem Mitteleingang muss 1951 wegen Baufälligkeit abgerissen werden.

1924, mit Schindelverkleidung
1948, noch mit Turmspitze

Ab 2003
Seit 1968 befinden sich der Fahrkartenschalter, die Gepäckaufgabe und der Warteraum in einem Anbau. Im ursprünglichen Bahnhofsgebäude haben schon seit vielen Jahren die Stadtwerke Trossingen ihren Verwaltungssitz. Mit der Einstellung des Regelbetriebes und dem Umbau der Gleisanlagen für den Ringzug wird auch das Nebengebäude von 1968 für den Bahnbetrieb nicht mehr benötigt. In ihm entsteht neu das Kunden-Informations-Zentrum (KIZ) der Stadtwerke Trossingen. Aus dem ehemaligen Bahnsteig samt Bahnsteigdach entsteht ein moderner Konferenzraum mit Glasfassade. An diesem vorbei rollen nun die HzL-Dieseltriebwagen zum neuen Ringzugbahnsteig. Dieser befindet sich im Anschluß an den ebenfalls von der Bahn nicht mehr benötigten Güterschuppen. Diesen nutzen nun ebenfalls die Stadtwerke Trossingen als Lagerraum für deren Betriebszweige Elektrizität und Wasserversorgung.

2007, Gleisseite
2007, links Konferenzraum
2007, Straßenseite
2007, Ringzugbahnsteig

2005
Die Firma Faller, Hersteller hochwertiger Gebäudebausätze für die Modelleisenbahn, präsentiert 2005 auf der Nürnberger Spielwarenmesse als Hauptneuheit den Bahnhof Trossingen im Modellmaßstab 1:87 (Baugröße H0). Das Modell entwickelt sich für Faller zum Verkaufserfolg.

In der Modellbahnszene wächst der Wunsch nach Fahrzeugen der Trossinger Eisenbahn. Eine seit mehr als 100 Jahren praktisch unverändert elektrisch betriebene Privatbahn mit hohem Güterwagenverkehr und einer nur geringen Streckenlänge lässt sich beinahe auf jeder Modelleisenbahnanlage vorbildgerecht nachbilden.

Faller Bahnhof Gleisseite
Faller Bahnhof Straßenseite
Titelblatt Neuheitenkatalog

Das Elektrizitätswerk mit Wagenhalle und Wohnhaus:

Auch dieser Gebäudekomplex wird nach den Plänen von Oberamtsbaumeister Lusser errichtet. Wann entdeckt die Modellbahnindustrie dieses „gemischte Bauwerk“, das auf kleinstem Raum ein Elektrizitätswerk, eine Fahrzeughalle für vier Eisenbahnfahrzeuge sowie ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen für die Bediensteten vereinigt?

Das Elektrizitätswerk ist als solider Backsteinbau ausgeführt und bis heute in dieser Bauweise erhalten. Es ist übrigens das erste Kraftwerk in Deutschland, in dem nicht nur Strom für den Betrieb der Eisenbahn, sondern gleichzeitig auch Elektrizität für den Allgemeingebrauch, also für Industrie und Haushalte erzeugt wird. Das fabrikähnliche Gebäude wird anfangs „Kraftcentrale“ genannt. Im Inneren befinden sich die Kraftgasanlage sowie die „Dynamomaschinen“ zur Stromerzeugung. Das Funktionsprinzip ist einfach aber wirkungsvoll: Kohle wird vergast, indem man Wasserdampf über glühende Kohlen (ca. 1000 °C) leitet. Dabei entsteht ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Dieses Gasgemisch wird in einem Gasmotor, der nach dem Prinzip einer Dampfmaschine arbeitet, verbrannt. Der Kolben des Motors treibt ein großes Schwungrad an. Diese Drehbewegung wird genutzt, um über einen Transmissionsriemen den Generator zur Stromerzeugung anzutreiben. Vier dieser Dynamomaschinen gehören zur Grundausstattung des Elektrizitätswerkes. 2 x 36 KW stehen für den Allgemeinverbrauch zur Verfügung, 2 x 48 KW für den Bahnbetrieb. Diese Leistung reicht gerade aus, einen der beiden Triebwagen zu bewegen. Zur Abdeckung von Stromspitzen, die vor allem beim Anfahren der Züge und bei der Bergfahrt auftreten, stehen im Erdgeschoss des Wohnhauses „Pufferbatterien“ mit einer Kapazität von 288 Ampere-Stunden zur Verfügung. Aus ihnen können zusätzlich 96 A (das sind bei 600 V Fahrspannung weitere 57 kW Leistung) dem Bahnbetrieb zur Verfügung gestellt werden. Diese Pufferakkumulatoren werden ebenfalls von der „Kraftcentrale“ aufgeladen.

1898, Wohnhaus und „Kraftcentrale“
2007, Wohnhaus und Elektrizitätswerk

Das Wohnhaus für die Bediensteten des Elektrizitätswerkes entsteht im selben Baustil wie das Bahnhofsgebäude. Im Erdgeschoss befinden sich die Pufferbatterien für den Bahnbetrieb, im ersten und zweiten Stockwerk wohnen die Beschäftigten des Elektrizitätswerkes mit ihren Familien. Wie am Bahnhofsgebäude ist auch am Wohnhaus das Walmdach gegen ein Satteldach ersetzt worden. Die Verzierungen, Türmchen und Balkone sind längst verschwunden. Auch der Grundriss der Wohnungen wurde mehrfach geändert, zur besseren Wärmedämmung hat das Haus eine neue Fassade erhalten.

Seit 2005 nutzten die „Modelleisenbahnfreunde am oberen Neckar e.V.“ das Gebäude als Vereinsheim und bauen darin eine große Modellbahnanlage im Maßstab 1:87 (H0).

1898, Wagenhalle und Wohnhaus

Die Wagenhalle:
Da der Bahnbetrieb nicht mit Lokomotiven, sondern von Beginn an mit Triebwagen abgewickelt wird, bezeichnen die Trossinger die Abstellhalle nicht als „Lokschuppen“, sondern als „Wagenhalle“. In dem Fachwerkbau stehen zwei Gleise mit jeweils 24 m Nutzlänge zur Verfügung. Somit kann der gesamte Fahrzeugpark aus der Gründerzeit (2 Triebwagen, ein Personen- und ein Güterwagen) geschützt untergestellt werden.

1931 wird die Wagenhalle neu erbaut und dabei um ein Gleis in Richtung Ortsmitte versetzt. Die nutzbare Gleislänge steigt nur geringfügig auf 2 x 30 m. Ein Teil der Personenwagen muss deshalb über viele Jahre im Freien abgestellt werden. Erst 1994/1995 kann ein Gleis der Wagenhalle durch einen Anbau nach hinten verlängert und der gesamte, inzwischen historische Fahrzeugpark wieder geschützt untergestellt werden. Bereits zum Jubiläum 1998 wird aus der Wagenhalle ein kleines Eisenbahnmuseum. Erst nach Einstellung des Regelbetriebes und Gründung des Freundeskreises im Jahr 2004 ist der Weg frei für die weitere Umgestaltung der Halle in ein „richtiges“ Eisenbahnmuseum.

2007, Wagenhalle und Wohnhaus