Die Württembergische Staatsbahn bekommt erst nach langwierigen Verhandlungen und nach Unterzeichnung eines Staatsvertrages zwischen dem Königreich Württemberg und dem Großherzogtum Baden die Erlaubnis, eine Verbindungsbahn zwischen Rottweil und Villingen zu errichten. Diese grenzüberschreitende Bahnstrecke verbindet die Württembergische Neckartalbahn Stuttgart – Plochingen – Tübingen – Horb – Rottweil (-Tuttlingen) mit der im Bau befindlichen Badischen Schwarzwaldbahn Offenburg – Konstanz. Mit der Eröffnung dieser Nebenstrecke am 26. August 1869 erhält auch das kleine Pfarrdorf Trossingen einen Bahnhof. Dieser liegt allerdings etwa 5 km außerhalb von Trossingen völlig einsam im Neckartal – zu weit entfernt für die Trossinger.
Trossingen hat zwei Bahnhöfe
Erst mit Inbetriebnahme der Trossinger Eisenbahn am 14.12.1898 bekommt der Ort Trossingen einen brauchbaren Schienenanschluss, der Güter- und Personenverkehr auf der Privatbahn und auf der Staatsbahnstrecke Rottweil – Villingen steigt in der Folge sprunghaft an. Somit hat das Dorf mit gerade einmal 3.000 Einwohner gleich zwei Bahnhöfe! Den privat finanzierten „Ortsbahnhof“ und den an der Königlich Württembergischen Staatseisenbahn Rottweil – Villingen gelegenen „Staatsbahnhof“.
Die Gebäude und Gleisanlagen des „Trossinger Staatsbahnhofs“ befinden sich immer im Eigentum der jeweiligen Staatsbahn. Lediglich das Anschlußgleis der Trossinger Eisenbahn ist Eigentum der Privatbahn. Da der Trossinger „Staatsbahnhof“ das Streckenende der Trossinger Eisenbahn bildet, gehört auch er zur Geschichte der Trossinger Eisenbahn und soll hier vorgestellt werden:
1898
Seit Dezember 1898 verläuft das Gleis der Trossinger Eisenbahn über den Bahnhofsvorplatz zwischen Empfangsgebäude und Gasthaus hindurch. Aus der verschlafenen Bahnstation wird ein Inselbahnhof. Bis heute ist das Nebengebäude links, das Empfangsgebäude sowie der ganz rechts sichtbare Güterschuppen im Originalzustand von 1869 erhalten!
Um 1900
Kurz nach Inbetriebnahme der Trossinger Eisenbahn bekommt das Bahnhofsgebäude ein Bahnsteigdach, das den Übergang der Fahrgäste zwischen Staatsbahn und Privatbahn erleichtert. Auf der Seite der Staatsbahn reicht das Dach zunächst nur über die halbe Gebäudelänge, das „Bahnsteig-Stellwerk“ zur Bedienung der örtlichen Weichen und Signale ist noch Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert (Bild von 1964).
1976
Inzwischen reicht das Bahnsteigdach über die gesamte Gebäudeseite, somit steht auch das „Stellwerk“ im Trockenen und bleibt bis zum 30.05.1979 für Zugkreuzungen der DB in Betrieb (Bild: Siegmar Peter, Schwerte).
Anschließend wird der Bahnhof zu einem Haltepunkt mit Anschlußstelle zurückgebaut. Die DB-Züge halten nur noch am Gleis 2, die Weiche in Richtung Villingen wird ausgebaut und das Gleis 1 somit zum Stumpfgleis. Lediglich der Weichenbereich in Richtung Rottweil bleibt als Anschlußstelle erhalten, dort findet bis 1996 weiterhin die Übergabe der Güterwagen von und zur Trossinger Eisenbahn statt.
1984 – 2006
In diesem Zeitraum nutzt der „Verein der Modelleisenbahnfreunde am oberen Neckar e. V.“ den ersten Stock des Bahnhofsgebäudes als Vereinsheim. Die Modellbähnler bauen eine ca. 40 m² große HO-Modellbahnanlage und bringen an den „Tagen der offenen Tür“ wieder Leben in das inzwischen denkmalgeschütze Gebäude.
2004
Über Ostern 2004 werden die kompletten Gleisanlagen umgebaut. Das Gleis der Trossinger Eisenbahn erhält einen neuen Anschluss an die DB-Strecke Rottweil – Villingen (Bildmitte). Dazu muss das Bahnhofsdach wieder entfernt werden. Das alte Gleis auf dem Bahnhofsvorplatz wird anschließend komplett entfernt (rechts). Links ein Ringzug in Richtung Villingen, rechts der Pendelzug nach Trossingen Stadt.
2005
Zum Fahrplanwechsel 2004/2005 geht die zweite Stufe des Ringzuges und damit auch die neue Gleisanlage am Staatsbahnhof komplett in Betrieb. Erstmals in der langen Geschichte der Trossinger Eisenbahn gibt es durchgehende Züge von Trossingen Stadtbahnhof nach Villingen / Bräunlingen. Links der Ringzug in Richtung Villingen, rechts das neue Gleis der Trossinger Eisenbahn.
2015
Das Bahnhofsgebäude ist denkmalgerecht und mit viel Liebe zum Detail renoviert und wird unter anderem für Ferienwohnungen genutzt.